Kennst du das? Du möchtest, dass dein Kind etwas tut aber es will einfach nicht.
„Nick, komm Jacke anziehen!“
„NEIN!“
„Nick, Zeit zum Hände waschen!“
„Neeein!“
„Zähneputzzeit!“
„Neeeein!“
Woher kommt dieses Verweigerungsverhalten?
Um diese Fragen beantworten zu können, schauen wir uns zunächst die kindliche Entwicklung an. So werden in der Entwicklungspsychologie verschiede „Entwicklungsphasen“ beschrieben. Diese Phasen sind entwicklungs- und altersbedingt und die Folge unglaublicher Umstrukturierungen im Gehirn ! Kinder erlernen in solchen Phasen neue Fähigkeiten, auf denen später komplexere Fähigkeiten aufbauen. Aus Sicht des Kindes sind dann auf einmal Gefühle und Bedürfnisse da, die es noch nie so gefühlt hat und ganz neue Möglichkeiten diese auszudrücken!
Die wohl bekannteste Phase, in der es häufig um verweigerndes Verhalten geht, ist die „Phase der Autonomie“, auch bekannt als die „Trotzphase“. Diese beginnt etwa mit 18 Monaten und hat ihren Höhepunkt zumeist zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr. Wie der Ausdruck “Trotzphase” andeutet, sind in dieser Zeit externalisierende Verhaltensweisen, also z.B. Wutanfälle, körperliche Aggression und Nichteinhaltung von Regeln häufig (Alink et al., 2006).
Wie der Name „Phase der Autonomie“, oder auch Unabhängigkeit, besagt, wollen Kinder in diesem Alter Dinge alleine schaffen, sie lernen, die Kontrolle über sich selbst zu übernehmen. Das Kind entwickelt zunehmend einen eigenen Willen und setzt sich eigene Ziele. Diese Ziele passen nicht immer mit denen der Eltern überein und so kommt es unweigerlich zu Meinungsverschiedenheiten und Zusammenstößen. Typischerweise mangelt es Kindern in diesem Alter jedoch an Selbstbeherrschung und Analysefähigkeit. Sie können also ihre Wut nicht hemmen, wenn Mama oder Papa einen ihrer tollen Pläne zunichtemacht.
Aber wir als Eltern brauchen nicht verzweifeln. Tatsächlich zeigen Studien, dass wir Erwachsene mit der Art und Weise wie wir mit dem Trotz- und Verweigerungsverhalten umgehen, Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen können!
Studien zeigen, dass Kinder, die von ihren Eltern durch deren Anwesenheit, Wärme und Ansprechbarkeit liebevoll begleitet wurden, bei denen also eine positive Eltern-Kind-Interaktion beobachtet werden konnte, weniger Wutausbrüche zeigten, während Kinder die sehr viel Strenge erlebten , häufiger Wutausbrüche zeigten (Hughes et al., 2020).
Die Möglichkeiten und Hilfen, die wir dir heute aufzeigen, basieren auf bindungsorientierter Erziehung sowie auf der Stärkung der Selbstwirksamkeit und Resilienz .
Hier einige Tipps für dich, wie du mit Verweigerung umgehen kannst und diesen Situationen teilweise vorbeugst:
1) Feste Routinen können helfen
z.B. immer nach dem Essen werden Zähne geputzt. Es kommt immer dasselbe Zahnputzlied. Hausschuhe werden immer gleich angezogen, wenn man von draußen rein kommt, etc. Hier können Kärtchen mit Fotos oder Symbolen dem Kind helfen, sich an die Reihenfolge zu erinnern.
2) Selbstwirksamkeit stärken und das Kind in den Entscheidungsprozess mit einbinden
z.B. im Geschäft selbst Zahnbürste, Zahnpasta, Hausschuhe, Kinderseife etc. aussuchen lassen.
3) Das Kind selbst die Lösung finden lassen
Bei den Hausschuhen: „Stopp, wenn wir reinkommen tun wir etwas! Etwas fehlt noch? Was könnte es sein?“ Mit Blickkontakt Aufmerksamkeit auf die Hausschuhe lenken J Kind erkennt: Hausschuhe anziehen Beim Händewaschen: „Was fehlt noch, bevor wir essen können?“ So kommt das Kind ganz voll alleine darauf, was es noch zu erledigen hat und dies stärkt Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit.
4) Das Gefühl oder Bedürfnis deines Kindes wahrnehmen und benennen
„Du hast gerade gar keine Lust auf Zähneputzen, oder?“ oder: „Du möchtest lieber noch weiterspielen, oder?“ Durch das JA sagen fühlt sich dein Kind verstanden. Dies durchbricht Machtkämpfe und Kommunikationsbarrieren!
5) Bindung stärken durch Einfühlungsverständnis und Körperkontakt
„Ich verstehe dich! Manchmal habe ich auch keine Lust dazu! Brauchst du erst noch eine Umarmung?“
6) Erklären, warum es wichtig ist
„Es ist wichtig die Zähne zu putzen, damit sie gesund bleiben!“
7) Entscheidung anbieten
„Möchtest du auf meinem Schoß sitzen, während wir putzen oder möchtest du stehen?“
Falls es zwei verschiedene Zahnpasta/Zahnbürsten zu Hause gibt: „Möchtest du heute mit der grünen oder der gelben Zahnbürste putzen?“
8) Bindung stärken und mit Spaß und Freude verbinden
„Komm, du darfst auf meinem Schoß sitzen und ich singe dir das Zahnputzlied!“
„Wollen wir zusammen Zähneputzen? Erst ich oder erst du?“
„Teddy muss auch mal wieder Zähneputzen. Hilfst du ihm? Er hat vergessen wie es geht! Zeigst du es ihm? Er schaut dir zu und lernt von dir!“
9) Weise dein Kind auf eine schöne Tätigkeit hin, die nach der erledigten Aufgabe auf es wartet
„Nach dem Zähneputzen haben wir noch Zeit für eine Gute Nacht Geschichte, welche möchtest du gerne lesen?“ Wenn Kinder eine Aussicht auf eine schöne gemeinsame (bindungsstärkende 🙂 ) Aktivität haben, hilft ihnen das, leichter zu kooperieren.
10) Eigene Gefühle benennen
„Ich habe Angst, dass deine Zähne kaputt werden, denn Zähne müssen geputzt werden, damit sie gesund bleiben!“
„Ich freue mich, wenn du fleißig Zähne putzt, denn dann weiß ich, dass deine Zähne gesund und stark bleiben!”
Literaturangaben:
Alink, L. R. A., Mesman, J., Van Zeijl, J., Stolk, M. N., Juffer, F., Koot, H. M., … van IJzendoorn, M. H. (2006). The early childhood aggression curve: Development of physical aggression in 10- to 50- month old children. Child Development, 77, 954–966. https://doi. org/10.1111/j.1467-8624.2006.00912.x
Hughes, C., Devine, R. T., Mesman, J., & Blair, C. (2020). Understanding the terrible twos: A longitudinal investigation of the impact of early executive function and parent–child interactions. Developmental Science, e12979.