Blog Warum eine Auszeit als Strafe schädlich ist

Warum eine “Auszeit als Strafe” für Kinder schädlich ist

Studien zeigen, dass soziale Schmerzen, wie z.B. Liebesentzug, ähnliche Schmerzen verursachen, wie tatsächliche körperliche Schmerzen, also z.B. ein Schlag auf den Hintern. Moment mal! Das Schlagen von Kindern ist zwar verboten, aber Kinder in Auszeiten zu verbannen nicht? Wenn du wissen willst, welche positiven alternativen Möglichkeiten es zur „Auszeit als Strafe“ gibt, schau das Video oder lies den Artikel! Literaturangaben findest du wie immer unter dem Text.

Seelische Schmerzen fühlen sich ähnlich schmerzhaft an, wie körperliche Schmerzen!

Vielleicht hast du schon einmal so einen richtig tiefen Herzschmerz verspürt? Vielleicht als du dich verletzt, hintergangen oder alleingelassen gefühlt hast? Der Musiker Bob Geldorf beschrieb die Gefühle bei seiner Trennung so: „Allein die körperlichen Schmerzen waren schrecklich. Ich habe immer gedacht, der Ausdruck ‚ein gebrochenes Herz‘ zu haben, sei nur eine Metapher. Aber es fühlte sich an, wie einen Herzinfarkt zu haben.“ (Zitat aus MacDonald & Leary, 2005). Und Bob hat Recht! Studien zeigen, dass soziale und körperliche Schmerzen ähnliche physiologische Mechanismen aufweisen. Sie fühlen sich also ähnlich schmerzhaft an wie körperliche Schmerzen (siehe z.B. MacDonald & Leary, 2005 & Eisenberger, 2012)!

Das Schlagen von Kindern ist zwar spätestens seit der Verankerung des Rechtes auf Gewaltfreiheit durch den deutschen Bundestag im Jahr 2000 ausdrücklich verboten (Gute Übersicht dazu findest du hier) – aus gutem Grund, denn die negativen Folgen davon sind mittlerweile gut bekannt (siehe z.B. Ferguson, 2013, Gersthoff & Grogan-Kaylor, 2016, Lee et al., 2020) – aber Kinder in Auszeiten zu verbannen ist weiterhin erlaubt?  

Es ist heutzutage noch viel zu oft üblich, Kinder bei „unerwünschtem Verhalten“ auf den Gang, auf den stillen Stuhl, die stille Ecke oder in ihr Zimmer zu schicken.

Tatsächlich gibt es sehr viele ältere Studien, die zeigen, dass soziale Isolierung gegen störendes, aggressives Verhalten von Kindern „helfen“ (z.B. Drabman & Spitalnik, 1973). Dies basierte auf den Grundsätzen des Operanten Konditionierens nach Skinner aus dem Jahr 1959 (Skinner, 1959). Damals erforschte man, ob Kinder durch negative Rückmeldung, also Bestrafung, ihr Verhalten an das gewünschte Verhalten der Eltern anpassen würden. Die Studien zeigen kurzfristige Erfolge! Kinder hören also mit störendem Verhalten auf.

Warum ist eine “Auszeit als Strafe” für Kinder schädlich?

„Helfen“ tut diese „Erziehungsmethode“ jedoch nur den „Erziehenden“, also den Erwachsenen. Kinder lernen damit nicht, mit eigenen Gefühlen umzugehen. Heute wissen wir, das körperliche wie auch seelische Gewalt an Kindern später zu psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen führen können (siehe z.B. McCrory, Gerin & Viding, 2017).

Eine „Auszeit“ als Strafe mag also kurzfristig Erfolge in „sozial erwünschtem Verhalten“ von Kindern münden. Langfristig jedoch sind sie für eine gesunde sozial-emotionale Entwicklung von Kindern wenig förderlich (siehe z.B. Kohn, 1999 und Frey & Osterloh, 2002)!

Besonders für Kinder, deren Grundstresslevel bereits sehr hoch ist (z.B. Kinder mit traumatischen Erlebnissen), verstärken solche „Erziehungssysteme“ noch deren Stresslevel und verstärken damit, dass Kinder eher ungesunde Wege finden, mit Frust, Wut und anderen „schweren Gefühlen“ umzugehen, als mit, wie eigentlich langfristig erwünscht – psychisch gesunden Wege!

Heute wollen wir aufzeigen, wie du bindungsorientiert  Kinder in einem gesunden Umgang mit ihren Gefühlen stärkst UND sie zusätzlich unterstützt, erwünschtes Verhalten zu zeigen.

Dazu ist einmal wichtig zu wissen, dass Kinder eine gesunde Selbstregulation am besten mit Hilfe von erwachsenen Bezugspersonen lernen (siehe z.B. Chang et al., 2003). Du bist also unglaublich wichtig für dein Kind!

Doch was kannst du tun, wenn eine Situation so weit geht, dass du dir nicht mehr zu helfen weißt?

Nehmen wir ein Beispiel:

Der 3-jährige Nick kneift seine kleine 6 Monate alte Schwester immer wieder, wenn seine Eltern nicht hinsehen. Irgendwann merken sie was passiert und versuchen Nick klar zu machen, dass das so nicht geht und er eine Grenze übertritt. Sie versuchen mit ihm zu reden, schimpfen und haben es sogar mit Belohnungs-Aufklebern probiert. Aber gar nichts hilft! Nick wiederholt sein Verhalten immer wieder und die letzte, meist wütende Lösung, der Eltern ist, ihn in sein Zimmer zu schicken, damit er über sein Verhalten nachdenkt.

Die Botschaft die Nick erreicht ist, dass er etwas Böses getan hat. Er spürt also: „Ich bin nicht ok, so wie ich bin! Ich bin ein böses Kind!“ Aber warum er das macht – darüber kann Nick noch gar nicht alleine nachdenken! Sein Gehirn ist noch nicht so weit entwickelt! Nick wird verunsichert und vielleicht sogar so erschreckt, dass er seine Schwester nicht mehr kneifen wird oder er wird seinen Plan ändern und eine andere Möglichkeit finden seiner Schwester auf irgendeine Art und Weise zu drangsalieren.

Denn dem Grund, weshalb Nick seine Schwester ärgert, wird nicht nachgegangen. Der Fokus wird auf Nicks Verhalten gelegt. Das Verhalten jedoch ist häufig ein „Symptom“, also ein Ausdruck nicht erfüllter Bedürfnisse. Doch welches Bedürfnis hat Nick? Und wie könnten die Eltern reagieren, um ihn in seinen sozial-emotionalen Fähigkeiten zu unterstützen UND um ihm zu helfen, mit dem unerwünschten Verhalten aufzuhören?

1.     Achte auf deine eigene innere Einstellung

Hole dein Kind ab, indem du dich in es hineinversetzt, bevor du ihm eine Anweisung erteilst oder mit ihm kommunizieren möchtest. Achte darauf, dass du nicht mit Vorwürfen oder Bewertung kommunizierst, sondern empathisch auf dein Kind eingehst. Das kann ganz schön schwer sein! Versuche so ruhig wie möglich zu bleiben, denn du bist das Vorbild und deine Stimmung überträgt sich auf dein Kind

2.     Stelle die Aufmerksamkeit sicher

Gehe auf Augenhöhe und suche sanften Körperkontakt. Körperkontakt beruhigt und stärkt die Bindung (eine ausführliche Anleitung findest du in unserem Artikel 3 Tipps, wie dein Kind besser auf dich hört).

3.     Sage konkret, was das Kind tun soll – vermeide dabei das Wort „nicht“

Unser Gehirn macht keinen großen Unterschied zwischen Phantasie und Realität. Alles was bildlich ist, kann sich unser Gehirn gut vorstellen und die Neuronen sind bereits bei dem bloßen Gedanken an das “Bild im Kopf” aktiv!!

„Nicht“ ist ein abstraktes Wort, das sich unser Gehirn nicht bildlich vorstellen kann. Wenn Nicks Eltern ihm also sagen „Zwicke deine Schwester NICHT!“ oder „Hör auf, deine Schwester zu „ZWICKEN“, dann feuern seine winzigen Neuronenzellen bei der bildlichen Vorstellung „Zwicke deine Schwester!“. Nicks Eltern können stattdessen eine klare Anweisung geben und sagen „Sei bitte zärtlich zu deiner Schwester!“.

4.     Dem Verhalten auf den Grund gehen

Nicks Verhalten in diesem Beispiel liegt vermutlich in seiner Eifersucht dem neuen Baby gegenüber. Oft sind die Situationen komplexer und man muss ein wenig länger darüber sprechen oder nachdenken, um zu erkennen, um welches Gefühl es sich bei dem Kind handelt. Ich könnte zum Beispiel sagen: „Das ist ganz schön nervig, eine kleine Schwester zu haben, oder? Was meinst du?“ Und Nick könnte sagen: „Ja, sie ist so laut und immer dreht sich alles um sie! Ich fühle mich so allein!“ Natürlich können die wenigsten Kinder mit 3 Jahren sich schon so gut mit Worten ausdrücken. Darum ist hier dein Einfühlungsvermögen gefragt! In den meisten Fällen ist es eine Erleichterung für das Kind, wenn sie sehen: „Meine Mama, mein Papa, meine Erzieherin sehen, wie es mir geht! Und es ist ok, dass ich mich so fühle!” Kinder können dann lernen: „Es ist ok, dass ich mich so fühle, aber es ist nicht ok, wenn ich mich dann so verhalte! Ich kann meine Gefühle anders zeigen!“

5.     Über Gefühle sprechen

Zeige deinem Kind: Alle deine Gefühle sind wichtig und sprich mit ihm über Gefühle. Bei kleinen Kindern die noch nicht gut sprechen können, kannst du auch erahnen, wie sie sich fühlen und danach fragen. Z.B.: „Ich habe das Gefühl, du vermisst mich und möchtest gerne mehr Zeit mit mir verbringen, kann das sein? Und deine kleine Schwester braucht im Moment ganz viel Zeit von mir. Das macht dich traurig und wütend.“ Damit gibst du deinem Kind die Change „JA“ zu sagen und gesehen zu werden! Übrigens: Unsere GEFÜHLEHELDEN helfen euch Zuhause und in der Kita, Gefühle mehr zum Thema zumachen! Klicke hier für mehr Infos:

6.     Bindung stärken!

Wenn wir uns in unsere Kinder hineinversetzen, öffnet uns dies auch manchmal die Augen über ihr Verhalten und wir können uns wieder neu orientieren, zum Beispiel mehr gemeinsame Zeit mit dem älteren Geschwisterkind schaffen. Gemeinsame Zeit stärkt die Bindung und macht, dass Kinder gerne und vor allem freiwillig mit uns kooperieren (mehr über Bindungsorientierte Erziehung findest du hier).

7.     Lehre Kinder ihre Gefühle zu erkennen, benennen und zu lenken

Studien zeigen, dass Kinder, die ihre Gefühle besser erkennen und benennen können, mehr Freunde haben, im Leben glücklicher, erfolgreicher in Schule und Beruf, sowie psychisch gesünder sind (sie z.B. Cohn & Fredrickson, 2009)! Sich seiner Gefühle im Klaren zu sein, erleichtert die Kommunikation darüber. Wenn wir offen über unsere Gefühle sprechen, erhöht dies, die Wahrscheinlichkeit des Gegenübers, auf die Bedürfnisse des Gesprächspartners einzugehen. Unsere Bedürfnisse werden also sichtbar (Mehr Infos dazu auch im Artikel: “Warum alle Gefühle wichtig sind“)!

Kinder zu lehren, ihre Gefühle zu erkennen und zu benennen sowie lenken zu lernen, ist also eine Basis für mentale Gesundheit und damit viel wichtiger, als eine „Auszeit“, in Kinder lernen ihre Gefühle zu unterdrücken!

 Übrigens:

Es gibt auch positive Formen von „Auszeit“, die manchmal helfen können, wenn wir in eine „Negativ-Spirale“ gerutscht sind und Kinder provozierendes Verhalten zeigen: Gemeinsam 5x auf und nieder springen, um den Tisch laufen, eine Kissenschlacht machen oder sich gegenseitig Kitzeln zum Beispiel! Denn Bewegung hilft uns, unser Gehirn wieder aktiv einzuschalten!

Und:

Eine Auszeit ist auch dann ok, wenn sich das Kind (oder auch wir Eltern) uns diese bewusst und freiwillig nehmen.

Literaturangaben:

MacDonald, G., & Leary, M. R. (2005). Why does social exclusion hurt? The relationship between social and physical pain. Psychological bulletin, 131(2), 202.

Drabman, R., & Spitalnik, R. (1973). Social isolation as a punishment procedure: A controlled study. Journal of Experimental Child Psychology, 16(2), 236-249.

Skinner, B. F. (1950). Are theories of learning necessary?. Psychological review, 57(4), 193.

McCrory, E. J., Gerin, M. I., & Viding, E. (2017). Annual research review: childhood maltreatment, latent vulnerability and the shift to preventative psychiatry–the contribution of functional brain imaging. Journal of child psychology and psychiatry, 58(4), 338-357.

Chang, L., Schwartz, D., Dodge, K. A., & McBride-Chang, C. (2003). Harsh parenting in relation to child emotion regulation and aggression. Journal of family psychology, 17(4), 598.

Eisenberger, N. I. (2012). The neural bases of social pain: evidence for shared representations with physical pain. Psychosomatic medicine, 74(2), 126.

Gershoff, E. T., & Grogan-Kaylor, A. (2016). Spanking and child outcomes: Old controversies and new meta-analyses. Journal of family psychology, 30(4), 453.

Kohn, A. (1999). Punished by Rewards: The Trouble with Gold Stars. In Incentive Plans, A’s, Praise, and Other Bribes.

Lee, S. J., Pace, G. T., Ward, K. P., Grogan-Kaylor, A., & Ma, J. (2020). Household economic hardship as a moderator of the associations between maternal spanking and child externalizing behavior problems. Child abuse & neglect, 107, 104573.

Frey, B. S., & Osterloh, M. (Eds.). (2002). Managing motivation. Springer-Verlag.

Ferguson, C. J. (2013). Spanking, corporal punishment and negative long-term outcomes: A meta-analytic review of longitudinal studies. Clinical psychology review, 33(1), 196-208.

Chapman, M., & Zahn-Waxler, C. (1982). Young children’s compliance and noncompliance to parental discipline in a natural setting. International Journal of Behavioral Development, 5(1), 81-94.

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