"GEFÜHLEHELDEN" und die "Gehirnbasierte Kommunikation" im Kita-Alltag
Im nachfolgenden Interview sprechen wir mit Frau Irene F. – Leitung eines 4-gruppigen Kindergartens in Baden-Württemberg – zum Thema:
Liebe Irene,
du hast, gemeinsam mit deinem Team, alle Gruppen in deiner Kita mit GEFÜHLEHELDEN-Zonen ausgestattet.
Warum ist es für dich wichtig, Kinder im Umgang mit Gefühlen zu stärken?
Kinder sind häufig noch von starken Gefühlen so überwältigt, dass dies zu „unerwünschtem“ Verhalten (schlagen, schreien, beißen, kratzen, beleidigen…) führt oder sie sich selbst in ihren Handlungen blockieren (dicht machen, Rückzug antreten, aufgeben). Ihnen zu zeigen, wie sie Gefühle benennen können und alternative Lösungen finden können, hilft Ihnen dabei diesen Gefühlen nicht mehr hilflos ausgeliefert zu sein.
Was passiert, wenn Kinder nicht im Umgang mit Gefühlen gestärkt und gefördert werden?
Bei einigen Kindern kann man beobachten, wie sich „aggressive Strategien“ oder „Weinerlichkeit, Hilflosigkeit“ als Strategie langfristig festsetzen und sie sich damit in einen eigenen Teufelskreis manövrieren. Erste bekommen immer häufiger „Gegenwind“ was die Aggression verstärkt, letztere erhalten immer häufiger „Trost und Mitleid“, was ihr Selbstwertgefühl immer weiter schrumpft. Kindern zu helfen, Heldenhirn zu schulen, wird langfristig zu konstruktiveren Beziehungen, zu mehr Erfolg und Zufriedenheit führen. Kinder die durch Gewalt (verbal und/oder nonverbal) aus ihrem Umfeld bereits traumatisiert sind, haben mit dieser Methode zumindest eine Alternative für sich, wie sie dieser Prägung etwas entgegensetzen können.
Warum hast du als Kita-Leitung alle Kindergartengruppen mit GEFÜHLEHELDEN Sets ausgestattet?

Die GEFÜHLEHELDEN Sets gehören in JEDE Gruppe, da sie täglich präsent und einsatzbereit sind (inklusive der nach und nach folgenden Materialien für die „GEFÜHLEHELDEN Zone“). Sie sind nichts, was man sich einmal anschaut und was dann weitergegeben werden kann. Material das man nutzen will muss DA SEIN wenn man es braucht!
Wie helfen euch die GEFÜHLEHELDEN Sets dabei, Kinder im Alltag spielerisch im Umgang mit Gefühlen zu schulen?
Die „Gfühlis®“ waren von Anfang an so selbsterklärend, dass Kinder intuitiv wussten, was sie bedeuten und so fällt es leicht, die entsprechenden „Vokabeln“ mit den Symbolen zu verknüpfen und so Kindern Worte für Ihre Gefühle an die Hand zu geben. Kindern die Handlungsalternativen als Symbol – wie in der Mitte des Plakates – an die Hand zu geben, zeigt Ihnen Möglichkeiten, starken Gefühlen zu begegnen. Sie können auf diese Weise lernen, dass sie nicht ausgeliefert sind, wenn Zorn oder Traurigkeit sie überfluten, sondern, dass sie aktiv werden und sich selber helfen können. Diese Selbstwirksamkeit ist enorm wichtig für starke Kinder. Manche schauen das GEFÜHLEHELDEN Poster sehr oft an und haben dann das Bedürfnis über eins der Gefühle zu sprechen, das anscheinend gerade in ihnen aufkam.
Wie habt ihr eure GEFÜHLEHELDEN Zonen eingerichtet?
Wie haben euch die GEFÜHLEHELDEN in eurer Arbeit und in eurem eigenen Umgang mit Gefühlen beeinflusst?
Wir haben bei der ersten Reflexion besprochen, dass das Wissen um die “Gehirnbasierte Kommunikation” zunächst in einem selbst richtig Fuß fassen muss. Vielen ging es bereits so, dass sie ihre Sprache überprüfen und in einer Konfliktsituation mit Eltern hat das bewusste Einschalten des eigenen Helden-Hirns bereits eine Eskalation verhindert und es gab die Möglichkeit sehr konstruktiv miteinander weiter zu arbeiten. Solche Beispiele sind natürlich Ansporn dabei zu bleiben und die “Gehirnbasierte Kommunikation” fest im eigenen Denken zu verwurzeln, was ja die Voraussetzung dazu ist, es anwenden zu können.
Warum hast du an der „Gehirnbasierten Kommunikation“ teilgenommen?
Wir alle kommunizieren zwar ständig mit unserer Umwelt, denn man kann ja nicht NICHT kommunizieren, aber dabei kann doch einiges schief laufen. Zwischenmenschliche Kommunikation ist in Kindergartenteams, zwischen Erzieher*innen und Eltern und innerhalb von Kindergruppen unser „täglich Brot“. Wer gut kommunizieren kann, hat es leichter im Leben, seine Bedürfnisse, Ideen, Werte, Gefühle und Erfahrungen mit anderen zu teilen und sich in seinem Umfeld verstanden, unterstützt und wertgeschätzt zu fühlen, eigene Vorhaben weiterzubringen und vieles mehr.
Genaueres Wissen über die Abläufe in MEINEM Gehirn und dem anderer Personen hilft mir dabei, meine eigenen Emotionen zu regulieren und mit Gefühlsreaktionen anderer besser umzugehen.
Beispiele: Wenn ich weiß, dass Worte bei unterschiedlichen Menschen völlig unterschiedliche Bilder hervorrufen, die beim Gegenüber vielleicht auch noch sehr negativ besetzt sind, dann werde ich achtsamer in meiner Wortwahl und verständnisvoller im Umgang mit vermeintlich negativen Reaktionen.
Ich lerne zu trennen, ob gerade ICH angegriffen werde oder eine Reaktion aus dem Reptilienhirn vorliegt, die der andere gar nicht so bewusst steuern kann. Wenn ich die Signale nonverbaler Kommunikation deuten kann und angemessen darauf eingehe, kann ich Beziehungen bewusster gestalten und Menschen Brücken bauen. Im Umgang – vor allem mit Kindern – kann ich bewusst die Sprache der Sicherheit wählen, um es ihnen leicht zu machen ihr Heldenhirn zu aktivieren. Da mir sehr an konstruktiver, wohlwollender und respektvoller Kommunikation mit allen anderen Menschen gelegen ist, war es mir persönlich ein Anliegen mich weiterzubilden. Als Multiplikatorin versuche ich nun, die gelernten Werkzeuge auch an mein Team weiterzugeben.
Wie hat die „Gehirnbasierte Kommunikation“ Fachfortbildung deinen Alltag beeinflusst.
Ich kann jetzt in einer Konfliktsituation oder in schwierigen Gesprächen in eine Meta-Position treten und der Kommunikation wie von außen zuschauen. Angriffe oder harte Worte treffen mich nicht mehr so direkt „ins Mark“ da ich einen Filter aus Wissen aus der Gehirnforschung davor legen kann der fragt „Welcher Gehirnteil spricht da gerade zu mir und was ist das Gefühl dahinter?“ Bei Erwachsenen und Kindern die „Sprache der Sicherheit“ anzuwenden – vor allem wenn es „knifflig wird“ – gibt mir selbst ein Gefühl von Professionalität und Gelassenheit. Ich möchte unbedingt trainieren.
Allgemein denke ich gehe ich bewusster mit Sprache um und reflektiere auch eigene „Gefühlsausbrüche“ sachlicher, geduldiger.
Du hast dich persönlich ja schon viel mit Kinderschutz beschäftigt. Ist die Art und Weise wie wir mit Kindern sprechen auch für den Kinderschutz relevant? Falls ja, inwiefern ist das so?
Unbedingt! Die Sprache der Sicherheit und der wertschätzende Umgang mit kindlichen Gefühlen ist Basis des Kinderschutzes, wenn es um UNSEREN Umgang mit Kindern geht. Wenn meine Sprache und mein Denken gewaltfrei sind, so sind es voraussichtlich auch meine Handlungen! Kindern zu helfen, die eigenen Gefühle zu artikulieren kann sie auch in Situationen schützen, wo Erwachsene in ihrem Umfeld zur – wie auch immer gearteten – Bedrohung werden. Ihnen zu zeigen, wie sie mit starken Beschützer-Gefühlen umgehen können, in dem Wissen dass es KEINE schlechten Gefühle gibt, macht sie stark, ihren Gefühlen zu vertrauen und gibt ihnen Worte um sich anderen Menschen anzuvertrauen, wenn sie gefährdet sind.
Wem würdest du die Fachfortbildung „Gehirnbasierte Kommunikation“ empfehlen?
Ich würde die Fortbildung tatsächlich jeder Fachkraft empfehlen, die mit Menschen im weitesten Sinne „zu tun“ hat. Denn eine professionelle Kommunikationsfähigkeit hilft bei der Verständigung, bei der Überwindung von gegensätzlichen Vorstellungen und beim Verständnis „starker“ Gefühle, wie sie in allen Menschlichen Beziehungen dazu gehören. Von daher wäre es eigentlich wünschenswert, dass JEDER Mensch die Inhalte dieser Fortbildung beherrscht. Einige Gewaltspiralen hätten verhindert werden können, wenn man sich „sachlicher“ über seine Gefühle, Erwartungen und Bedürfnisse austauschen kann und sich auch Kritik so mitteilen kann, dass es den anderen nicht angreift.
Wem würdest du das GEFÜHLEHELDEN Set empfehlen?

Ich kann das GEFÜHLEHELDEN Set wärmstens allen Kindergartengruppen, Grundschulklassen und allen Eltern für zu Hause empfehlen! Könnten wir das alle gut, würde so manches sich ändern in puncto Gewalt, Sprachlosigkeit und hilfloser Eskalation von Konflikten oder Meinungsverschiedenheiten. Jeder Mensch sollte das Wissen anwenden können, bevor ihm der Kragen platzt und die Möglichkeit für konstruktive und kreative Lösungen zerschlagen wird!
Vielen Dank für das Interview!
Irene F. ist Leitung eines Kindergartens mit 4 Gruppen in Baden-Württemberg.